This text is free adaptation to German of Michael Rybak and can not be interpret as translation of Nadeshda Ptuschkina’s original play.

 

 

 

 

Meschugge

 

Tragikomödie in zwei Akten

 

Aus dem Russischen von Vera Bischitzky

 

Die exklusiven Aufführungsrechte für das Theaterstück „Meschugge“ in deutscher Sprache

hat Herr Michael Rybak.

Die Anschrift: Wallensteinstraße 11b, 70437 Stuttgart, Deutschland.

Tel./Fax: +49 (0)711 87090711, +49 (0)176 48193212.

E-Mail: mrybak@alice-dsl.de

 

Die Besetzung:

 

Sie - eine einunddreißigjährige Frau

 

Er   - ein sechsunddreißigjähriger Mann

 

I

 

Eine Baustelle auf der Straße mit Verkehrssicherungen.

Er erscheint mit einer Schachtel „Marlboro", die er im Gehen aufmacht.

Sie kommt laufend, mit einer großen Tasche und stoßt auf ihn an.

 

Sie: Entschuldigung!

 

Er: Ich muss mich entschuldigen!

 

Sie: Können Sie mir vielleicht sagen, wie ich zum Haus der Damenmode komme?

 

Er:  Zum Haus der Damenmode?.. Da müssen Sie bis zur dritten Ampel und dann nach links. Danach bis zur zweiten Ampel, dann nach rechts. Dann bis zum Ende der Straße.

An der Kreuzung dann nach links. Ich glaube, es ist das zweite oder dritte Gebäude rechts... es steht etwas zurückgesetzt...

 

Sie: Also an der dritten Ampel nach links, an der zweiten nach rechts, bis zum Ende der Straße, dann nach links, nach rechts... dann also das dritte... oder vierte Gebäude...  Danke.

 

Er: Bitteschön! (versucht wegzugehen)

 

 

Sie: (versperrt ihm den Weg) Und wie komme ich mit den öffentlichen Verkehrsmitteln dahin?

 

Er: Verzeihen Sie, das weiß ich nicht. Damit fahre ich nie.

 

Sie: Und zu Fuß?

 

Er: Zu Fuß vermutlich genauso,  nur eben auf dem Bürgersteig.

 

Sie: Entschuldigen Sie!

 

Er: Ist noch was?

 

Sie: (entschlossen) Ich werde jetzt doch lieber nicht zum Haus der Damenmode fahren. Und gehe auch nicht.

Ein andermal vielleicht.

 

Er: (trocken) Das ist Ihr Problem! Sie entschuldigen mich! (versucht wieder wegzugehen)

 

Sie: Noch einen Moment! Nur einen Moment! Ich wollte Ihnen noch etwas sagen, besser gesagt, vorschlagen...  Nein, es ist wohl eher eine Bitte... Obwohl - vielleicht werden wir uns ja auch einig... Ich meine, es könnte ja klappen...  Kann ja sein, dass Sie interessiert sind...

 

Er: Geht es auch etwas kürzer? Und konkreter?

 

Sie: Könnten wir nicht irgendwo anders hingehen? Hier sind so viele Leute...

 

Er:  Ich habe keine Geheimnisse vor meinen Mitmenschen.

 

Sie: Aber ich schon.

 

Er: Das ist Ihre Sache! Ich habe es übrigens eilig. Bin nur schnell mal rausgegangen, Zigaretten holen. Ich werde erwartet.

 

Sie: Einen Augenblick bitte!  Sie wissen doch noch gar nicht, was ich meine und sind schon dagegen!

Vielleicht interessiert es Sie ja, was ich will...

 

Er:  Nein, mich interessiert nicht, was Sie wollen!

 

Sie: Aber ich schlage Ihnen ein Geschäft vor!

 

 

Er: Sie entschuldigen, aber ich kaufe nichts aus privater Hand!

 

Sie: Sie haben mich falsch verstanden! Es geht darum, mir bei etwas zu helfen und selbst daran zu verdienen.

 

Er:  Wie viel?

 

Sie: Hundert Dollar.

 

Er:  Verstehe. (versucht wegzugehen.  Sie packt ihn am Ärmel)  

Lassen Sie bitte meinen Ärmel los!

 

Sie: Entschuldigen Sie, das war ein Reflex!

 

Er:  Auf Wiedersehen!

 

Sie: (packt ihn wieder am Ärmel) Nein!

 

Er:  Was soll das - sind Sie meschugge?!

 

Sie: Sie wissen ja nicht einmal, was für ein Geschäft ich Ihnen anbieten will! Für Sie ist das eine Kleinigkeit! Nicht mehr als fünf Minuten: eine ganz leichte, alltägliche Arbeit!

 

Er:  Fünf Minuten? Hundert Dollar? Eine alltägliche Arbeit? Dann schießen Sie mal los! Aber fassen Sie sich kurz! Und lassen Sie ein für alle Mal meinen Ärmel los!

 

Sie: Verzeihung!

 

Er: Ich höre! Worum geht es denn?

 

Sie: Das erzähle ich Ihnen lieber bei mir zu Hause...   Es sind nur fünf Minuten zu Fuß von hier... Und dort fünf Minuten... Na ja, vielleicht sieben... Mehr als zehn bestimmt nicht... Ja! In zehn Minuten schaffen Sie es... Und fünf Minuten für den Rückweg.

 

Er: Das macht zwanzig Minuten. Worum geht es überhaupt?

 

Sie: Nicht der Rede wert! Tja... der Wasserhahn. Ich erkläre Ihnen das an Ort und Stelle! Lassen Sie uns keine Zeit verlieren!

 

Er: Der Wasserhahn? Wie kommen Sie darauf, dass das für mich alltäglich ist? Sehe ich etwa wie ein Klempner aus?

 

Sie: Nein, so sehen Sie nicht aus.

 

Er:  Dann suchen Sie sich einen Klempner!  Das kommt Sie übrigens auch billiger. Ich habe vor kurzem einen bestellt. Hat zehn Dollar gekostet!

 

Sie: Nein, nein! Ein Klempner kommt nicht in Frage!

Die sind alle alt und außerdem Alkoholiker... Ich brauche Sie!

 

Er: Also gut!  Nebenan ist mein Büro.  Bleiben Sie hier stehen und warten Sie! Ich werde Ihnen einen meiner Mitarbeiter schicken... Er ist jung...

 

Sie: Ich hätte aber gern, dass Sie es persönlich machen!

 

Er: Sie verblüffen mich wirklich! Noch nie hat mich jemand auf der Straße am Ärmel gepackt und von mir verlangt, ich soll auf der Stelle einen Wasserhahn reparieren. Glauben Sie mir, hier liegt ein Missverständnis vor.

 

Sie: Ich habe eben Vertrauen zu Ihnen.

 

Er: Das schmeichelt mir sehr! Aber ich eigne mich nicht für solche Sachen. Ich gebe so etwas selber in Auftrag.  Hab auch keine Zeit dafür. Und auch keine Lust.

 

Sie: Glauben Sie mir, alle normalen Männer können das!

 

Er: Früher konnte ich's auch. Hab's verlernt. Demzufolge bin ich wohl nicht normal. Soll ich Ihnen nun meinen Mitarbeiter schicken? Wollen Sie warten?

 

Sie: Nein... Nein... Ich kann das doch niemandem anvertrauen, den ich nicht kenne.

 

Er: Was können Sie niemandem anvertrauen?

Den Wasserhahn?! Dann kann ich Ihnen wirklich nicht weiterhelfen. Verzeihen Sie, aber ich habe eine Besprechung. Sie halten mich auf und vergeuden auch Ihre eigene Zeit.

 

Sie: Schauen Sie, es geht nicht nur um den Wasserhahn… Und ich brauche eigentlich auch keinen Klempner...

 

Er: Hören Sie, ich bin in Eile.

 

Sie: Ich brauche nur Sie allein! Niemanden sonst! Ich weiß, was ich sage!

 

Er: Dafür verstehe ich kein Wort. Wo liegt das Problem?

Und etwas schneller, wenn ich bitten darf.

 

Sie: In der reichen russischen Sprache gibt es leider kein adäquates Wort... Sprechen Sie Englisch?

 

Er: Ich? Englisch? Was ist, sind Sie nicht bei Trost?

 

Sie: Nein. Ganz im Gegenteil. Ich bin Ärztin.

 

Er: Hören Sie mal, Sie Ärztin, was können Sie mir nicht auf Russisch sagen? Was wollen Sie überhaupt von mir? Na?

 

Sie: Ich will... ich will... ich will, dass Sie mit mir... schlafen...

 

Pause

 

Er:  Wie bitte?.

 

Sie: ...dass Sie mit mir schlafen...

 

Er: Und das ist alles?

 

Sie: Ja. Ein Mal.

 

Er: Für hundert Dollar?

 

Sie: Ja.

 

Er: Ein Mal?

 

Sie: Ja. Ich glaube, ein zweites Mal wird nicht nötig sein.

 

Er:  Und wenn doch?

 

Sie: Na ja, wenn doch... Wenn es beim ersten Mal nicht klappt... Dann wende ich mich eben noch einmal an Sie!  

 

Er:  Und dann noch einmal hundert Dollar?

 

Sie: Natürlich! Mir ist schon klar, dass das ein ungewöhnliches Angebot für Sie ist...

 

Er:  Ungewöhnlich? Für mich? Sie beleidigen mich! Hundert Dollar für fünf Minuten! Ungeheuer verlockend!  Vielleicht sollte ich meinen Job überhaupt an den Nagel

 

 

hängen und mich... nur damit... beschäftigen?!

Sie sagen also hundert Dollar?

 

Sie: Na klar. Weshalb sollten Sie es denn gratis machen? Sie kennen mich doch überhaupt nicht... Aus welchem Grund sollten Sie es gratis machen? Ich will es ja und nicht Sie. Ich habe übrigens eine Bescheinigung, dass ich gesund bin.

 

Er: Die haben Sie sich wohl selber ausgestellt?

 

Sie: Nein. Eine Kollegin.

 

Er: Sagen Sie mal, mache ich wirklich einen solchen Eindruck?

 

Sie: Überhaupt nicht! Sie machen den Eindruck eines anständigen Mannes.

 

Er: Und genau deshalb haben Sie mich ausgewählt?

 

Sie: Ich brauche es eben so sehr!

 

Er: Dann gehen Sie doch einfach ins Bordell.

 

Sie: Was?..

 

Er: Ins Bordell, sage ich!

 

Sie: Was?.. Für wen halten Sie mich denn?

(plötzlich niederkniend)

Ich bitte Sie, denken Sie von mir, was Sie wollen, aber erfüllen Sie meine Bitte!

 

Er: Stehen Sie auf, stehen Sie sofort auf!

(bringt Sie auf die Beine) 

Eine eigenartige Bitte... Und wie stellen Sie sich das vor?.. Ich habe so etwas übrigens schon einmal gehört.  Das soll vorkommen. Warten Sie hier! Ich will mal meine Mitarbeiter fragen... Geben Sie ihnen aber bloß nicht mehr als fünfzig Dollar!

 

Sie: Sie haben mich falsch verstanden! Ich brauche niemanden anderen als Sie! Nur Sie allein! Verstehen Sie? Ich zahle Ihnen zweihundert Dollar!

 

Er: Sie wollen mit mir handeln? Ich werde Ihnen selber hundert Dollar geben, nur - lassen Sie mich in Frieden!  

 

Investieren Sie das Geld lieber in einen guten Arzt. 

Sie brauchen einen Arzt!

 

 

Sie: Weshalb beleidigen Sie mich denn? Sie haben mich falsch verstanden! Es ist wirklich lebenswichtig für mich! Und ich brauche niemand anderen als Sie! Und dringend! Was ist denn schon Besonderes an meinem Vorschlag? Was ist daran schon Besonderes? Gott im Himmel!

 

Er: (aufbrausend) Ich schlafe doch nicht mit jeder

x-beliebigen. Ich bin verheiratet! Ich habe ein Kind.

 

Sie: Ich weiß! Ich habe sie gesehen! Sie haben eine Tochter. Sie gefällt mir sehr, Ihre Tochter! Ein so prachtvolles Mädchen. Was für eine wunderbare Gesichtsfarbe sie hat. Und so weiches Haar und anmutige Züge. Sie kommt ganz nach Ihnen! Aber sie ist launisch!  Obwohl, das ist die Erziehung. Das geht mich nichts an. Mein Kind werde ich richtig erziehen. Wenn das die Gene sind, dann sind sie von Ihrer Frau, nicht von Ihnen. 

Sie sind ausgeglichen. Sogar sehr! Ihre Frau aber sieht nervös aus. Ja, alles Gute hat Ihre Tochter von Ihnen,  und alle Mängel von Ihrer Frau.

 

Er: Stopp! Danke. Vielen Dank. Und was wissen Sie noch von mir?

 

Sie: Nur das, was mich betrifft. Sie sind gesund, zuverlässig... Sie trinken nicht. Sind sportlich... Schlecht ist nur, dass Sie rauchen. Aber Sie rauchen wenig! Dafür sehen Sie wirklich gut aus!  Und Sie sind charmant. Auch das Alter passt.

 

Er: Sie stellen ja ganz schöne Forderungen - und das in Ihrer Lage!

 

Sie: Ich kann nicht anders. Ich nehme das eben ernst. Und ich habe mich gründlich vorbereitet.

 

Er: Aber Sie haben Pech. Ich suche kein Abenteuer.

 

Sie: Das stimmt aber nicht! Allein in den letzten zwei Wochen hatten Sie fünf Abenteuer! Eine Ausländerin - Sie haben Englisch mit ihr geredet - drei ganz junge Mädchen von hier und die fünfte war so alt wie ich!

 

 

 

Er: So ist das also... Jetzt hat's mich also auch erwischt! Sie wollen mich erpressen!

 

Sie: Ich möchte nur mit Ihnen schlafen! Weiter will ich

nichts von Ihnen! Ich biete Ihnen ja auch zweihundert Dollar dafür!

 

Er: Zweihundert Dollar nehme ich, wenn ich meine Dogge zum Decken weggebe!

 

Sie: Das ist sicher ein Rassehund! Zweihundertfünfzig!  Mehr habe ich nicht!

 

Er: Auf diesem Gebiet sollte man nicht kleinlich sein!   (nimmt aus dem Portemonnaie hundert Dollar)

Wissen Sie was, ich gebe Ihnen hundert Dollar, dann können Sie dreihundertfünfzig bieten. Ich bin zwar kein Experte, aber ich glaube, dann haben Sie bessere Chancen!

 

Sie: Danke! Ich nehme das Geld! Geben Sie her! Geben Sie mir Ihre hundert Dollar!

(nimmt die hundert Dollar)

 

Er: Danken Sie mir nicht!

 

Sie: Jetzt biete ich Ihnen also... dreihundertfünfzig! Obwohl ich die Preise auch nicht kenne!

 

Er: Sie haben doch gesagt, dass Sie gut vorbereitet sind!

 

Sie: Wenn ich an Ihrer Stelle wäre, würde ich nicht nein sagen!

 

Er: Aber ich will eben mit Ihnen handeln! Fünfzehn Minuten meiner Zeit, also meiner Arbeitszeit, sind mindestens Tausend wert!..

 

Sie: Solche Summen habe ich nicht!

 

Er: Darunter ist nichts zu machen!

 

Sie: Aber das ist zu viel!

 

Er: Sie kennen sich also doch mit den aktuellen Preisen aus?

 

Sie: Gut! Ich kapituliere.  Sie haben gewonnen!

Ich bin einverstanden! Ich werde die tausend Dollar

 

 

auftreiben! Nach Feierabend bringe ich Ihnen das Geld

ins Büro! Warten Sie hier!

(versucht wegzugehen)

 

Er: (packt Sie am Ärmel) Halt!

 

Sie: ...Lassen Sie meinen Ärmel los...

 

Er: (last den Ärmel los) Lassen Sie mich Ihnen etwas ganz einfaches erklären. In Ihrem Alter sollten Sie das eigentlich schon wissen! Das, worum Sie mich bitten,   kann ich nicht tun!

 

Sie: Warum denn nicht?!

 

Er: Weil ich Sie nicht begehre! Sie gefallen mir nicht. Als Frau. Sie haben keinen Reiz für mich. Rein sexuell gefallen Sie mir nicht.

 

Sie: Sie gefallen mir auch nicht! Und ich begehre Sie auch nicht! Schon lange begehre ich niemanden mehr!

Aber ich kann nicht auf Sie verzichten! Wenn ich es doch nur könnte! Was soll denn groß passieren, wenn Sie ein Mal mit mir schlafen? Sie schlafen doch mit jeder Erstbesten! Sie sagen doch nie nein! Seit einem Monat beobachte ich Sie! Vor drei Wochen haben Sie genau hier mit einer jungen Blondine geflirtet... So ein hübsches Mädchen mit Zopf... Sie haben fünf Minuten mit ihr geplaudert... Und am selben Tag ist sie nach Feierabend wiedergekommen. Und hat genau hier gewartet. Sie sind aus dem Haus gekommen und haben sie hereingebeten. Und Sie haben für Konversation, Verführung, für alles zusammen fünfunddreißig Minuten gebraucht. Und Ihr später nicht einmal ihre Begleitung angeboten! Ich habe es gehört, Sie standen neben ihrem Auto und haben darüber geredet, wo Sie sie unterwegs am günstigsten absetzen könnten.

Am nächsten Tag ist sie nach Feierabend wiedergekommen. Mit einem großen Rosenstrauß. Sie haben sie lieb und nett begrüßt. Ihre Mitarbeiter sind verständnisvoll und Ihnen ergeben - bis spät in die Nacht sind sie im Büro geblieben und haben Skat gespielt. Und sie hat die ganze Zeit gewartet. Alle waren nett zu ihr. Dann haben alle gemeinsam das Büro verlassen... und Sie auch... Sie haben ihr nicht einmal angeboten, sie nach Hause zu bringen. Sie ist dann immer wiedergekommen. Sie ist abgemagert. Sie hat gelitten. Es hat mir weh getan, sie anzusehen. Sie aber sind böse geworden. Und haben ihr schließlich

 

 

die Meinung gesagt. Und sie ist nicht mehr wiedergekommen!.. Und am nächsten Tag haben Sie hier, an derselben Stelle, ein äußerst vulgär aussehendes Subjekt aufgegabelt! Ich habe mich direkt für Sie geschämt. Sie hat draußen gewartet, bis alle weg waren. Sie haben Ihre Mitarbeiter etwas früher als sonst nach Hause geschickt.

Und dann haben Sie gepfiffen! Und nach sieben Minuten haben Sie in bester Laune mit ihr das Büro verlassen!

Sie haben sich sehr nett von ihr verabschiedet und sie ist nicht mehr aufgetaucht... Für die Ausländerin aber haben Sie mehr als drei Stunden aufgewendet!.. Das grenzt ja schon an Kriecherei!

 

Er: Weshalb beobachten Sie mich?

 

Sie: Sie haben eine hübsche, junge Frau! Und schlafen mit jeder x-beliebigen! Umsonst! Weshalb können Sie dann nicht auch mit mir schlafen?! Und noch dazu für dreihundertfünfzig Dollar?!

 

Er: Ich nehme kein Geld von Frauen!

 

Sie: Und weshalb erpressen Sie mich dann?

 

Er: Ich soll Sie erpressen?! Sie sind es doch, die mich belästigt!

 

Sie: Die Rothaarige gestern hat Sie doch auch belästigt!  Sie ist förmlich über Sie hergefallen! Sie haben nicht mal Zeit gehabt, das Fenster zu schließen! Und Sie haben überhaupt keinen Widerstand geleistet! Ich habe es gesehen.

 

Er: Sie sind ja sexbesessen! Sie suchen sich ein Opfer aus und fallen darüber her!

 

Sie: Ich musste mir doch ein Bild von Ihnen machen!

 

Er: Weshalb denn nur?

 

Sie: Weil ich mit Ihnen schlafen muss!

 

Er: Aber warum denn? Ich bin doch kein Sex riese. Ich bin ein Durchschnittsmann. Ich bin ersetzbar. Sie müssen mich sogar ersetzen!

 

Sie: Nur Sie, niemand sonst!!

 

 

Er: Warum? Haben Sie mit jemandem gewettet?

 

Sie: Für wen halten Sie mich eigentlich?

 

Er: Okay! Ich werde es nicht aussprechen, für wen ich Sie halte! Was ist nur los mit Ihnen, sind Sie sexuell so sehr unter Druck? In diesem Fall bin ich wirklich nicht der Richtige. Ich kenne meine Möglichkeiten.

 

Sie: Sie beleidigen mich die ganze Zeit und reden ordinäres Zeug. Warum?

 

Er: Scher dich doch zum Teufel! (geht schnell weg)

 

Sie: (hinterher)

Ihre Telefonnummer zu Hause ist 200 21 13. Und Ihre Frau heißt Lena! Ich werde sie jetzt gleich anrufen! Ich weiß, dass sie zu Hause ist! Sie arbeitet ja nicht! Einen Monat Recherchearbeit - das kann doch nicht umsonst gewesen sein!

 

Er: Sie sind eine ekelhafte Erpresserin!  Sie widern mich an!

 

Sie: Reden Sie doch, was Sie wollen!

 

Er: Wie viel wollen Sie?

 

Sie: Ein Mal! Höchstens zwei Mal! Das zweite Mal aber erst in einem Monat! Ich hoffe aber nicht, dass das nötig sein wird!

 

Er: Und wenn ich Ihnen Geld gebe?

 

Sie: Nein.

 

Er: Fünfhundert Dollar? Einschließlich der Hundert, die Sie schon haben!

 

Sie: Nein.

 

Er: Zusätzlich zu den Hundert!

 

Sie: Nein.

 

Er: Fünfhundertfünfzig!

 

Sie: Nein.

 

 

Er: Siebenhundert!

 

Sie: Nein.

 

Er: Tausend Dollar!

 

Sie: Nein.

 

Er: Wie alt sind Sie eigentlich?

 

Sie: Dreißig... Ein... und... dreißig... (weint)

 

Er: Nehmen Sie das Geld!

 

Sie: Nein.

 

Er: Ich habe kein Interesse an Ihnen!

 

Sie: Ein Mal! Und dann vergesse ich Sie!

 

Er: Sie vergessen mich? Dieses Risiko kann ich nicht eingehen!

 

Sie: Aber weshalb? Weshalb sind Sie bereit, tausend Dollar zu zahlen, nur um nicht mit mir schlafen zu müssen?! Weshalb nur? Was ist denn so abstoßend an mir? Ihretwegen könnte ich ja völlig den Glauben an mich verlieren!

 

Er: Sind Sie denn vom Mond, oder was? Das macht man doch anders!

 

Sie: Ich habe Sie einen ganzen Monat lang beobachtet, nur um zu begreifen, wie man das macht! Habe sogar geübt: “Entschuldigen Sie, können Sie mir Feuer geben?“

Aber das war riskant! Sie haben ja nicht immer ein  Feuerzeug bei sich! Da habe ich eben beschlossen, Sie nach dem Weg zu fragen. Auf diese Weise kommt man wenigstens ins Gespräch.

 

Er: Das war Ihr Fehler. Sie hätten lieber nach Feuer fragen sollen!

 

Sie: Aber ich rauche ja nicht!

 

Er: Das spielt keine Rolle! Ich hätte Sie schon richtig verstanden! Aber man darf niemals... niemals darf man die Spielregeln verletzen! Jetzt ist es zu spät! Ich habe einfach Angst vor Ihnen!

 

 

Sie: Weshalb sollten Sie denn Angst vor mir haben? Ich bin Ärztin! Immunologin! Entschuldigen Sie, dass ich alles Mögliche zusammengeredet habe!    Ich will Ihnen wirklich nicht schaden. Ich will nichts weiter von Ihnen als dass Sie ein einziges Mal mit mir schlafen! Na ja,  vielleicht auch zwei Mal!

 

Er: Wieder dieselbe Leier!  Entschuldigen Sie, aber ich kenne Sie doch gar nicht!

 

Sie: Was wollen Sie denn von mir wissen?

 

Er: Nichts!

 

Sie: Aber so geraten wir ja schon wieder in die Sackgasse! Ich will Ihnen trotzdem ein bisschen von mir erzählen. Allerdings werden Sie nichts besonders Interessantes zu hören bekommen.

Ich führe ein sehr eintöniges Leben. Geboren bin ich neunzehnhundertachtundsiebzig... 

 

Er:  Nicht nötig!

 

Sie: Was ist denn nötig?

 

Er: Sie müssen mich sexuell interessieren.

 

Sie: Sexuell? Sie? Aber das ist doch kein Problem!

Ich bin keineswegs schlechter als ihre Zufallsbekanntschaften! Meine Größe entspricht der...

der Ausländerin. Die Hüften sind vermutlich attraktiver als die des vulgären Mädels! Und meine Taille ist nicht fülliger als die der Blondine! Meine Haare, bitte überzeugen Sie sich, sind fast die gleichen wie die Ihrer Frau! Ich müsste also voll und ganz Ihrem Geschmack entsprechen. Irgendetwas habe ich wohl vergessen... Was, fällt mir im Moment nicht ein... Man kann ja nicht an alles denken! Ach so!! Die Brust!!! Ich trage übrigens keinen BH! Bitteschön! Weshalb beschreiben? Sehen Sie doch selbst!

(knöpft die Bluse auf und zeigt ihm ihre Brust) 

Reicht das - für ein Mal?

 

Er:  Sie sind verrückt geworden! Knöpfen Sie die Bluse zu! (versucht ihre Bluse zuzuknöpfen)

 

Sie: Die anderen Frauen ziehen Sie aus, mich aber ziehen Sie gewaltsam an. Fassen Sie mich nicht an!

 

Was begrapschen Sie mich direkt auf der Straße? Belästigen Sie mich nicht! Ich laufe herum wie ich will!

 

Er: Schreien Sie nicht so in aller Öffentlichkeit!

 

Sie: Haben Sie plötzlich Geheimnisse vor Ihren Mitmenschen?

 

Er: Was soll ich denn machen, damit Sie mich in Ruhe lassen?

 

Sie: Ein höchst merkwürdiger Mann! Gerät in Panik, wenn er eine nackte weibliche Brust sieht! Fürchtet sich!  Will weglaufen! Wie kann man Sie bloß herumkriegen?! 

So was gibt's doch nicht!

 

(Sie küsst Ihn plötzlich in die Lippen. Er lässt Sie von sich fallen und geht schnell weg. Sie bleibt auf der Stelle ohnmächtig liegen. Dann bleibt Er stehen...)

 

Er: (von weitem) Spielen Sie verrückt so viel Sie wollen! Ich entschuldige mich natürlich, aber es war Selbstschutz! Ich gehe jetzt! Und Ihnen rate ich, besser nicht mehr herzukommen! Ich werde jetzt nur noch mit Bodyguard unterwegs sein! Und die Bodyguards verstehen keinen Spaß...  

(geht weg und dann kehrt zurück)

Aber entschuldigen Sie... ich wollte das nicht.  Vergessen wir das alles, ja! Ich gehe dann. Auf Wiedersehen! Hat mich gefreut, Sie kennenzulernen...   (beugt sich sehr behutsam über Sie)

Hören Sie! Ist alles okay mit Ihnen? Ich habe noch nie eine Frau geschlagen. Ehrenwort! Aber Sie können sich doch nicht so einfach auf mich stürzen! Das ist die falsche Methode, einen Mann für sich zu interessieren!  Und überhaupt - wenn er nicht gleich will, dann hat es praktisch keinen Zweck mehr, darauf zu bestehen. Das ist die reinste Zeitverschwendung. Je mehr Sie sich anstrengen, desto weniger wird er Sie wollen. Und außerdem - es gibt so viele Männer auf der Welt, dass von einer richtigen Wahl gar keine Rede sein kann. Wenn sie einen Mann zum Teufel schicken, dann haben Sie zumindest die Chance, dass Sie seine Selbstachtung ankratzen...

(schüttelt, Sie fassend)

Sagen Sie doch etwas! Ich kann jetzt nicht einfach weggehen, ich weiß ja nicht einmal, ob Sie noch am Leben sind oder nicht.

 

 

Sie: Fassen Sie mich nicht an! Ich bin mit dem Kopf aufgeschlagen. Sicher habe ich eine Gehirnerschütterung.  

(steht heftig auf)

Scheren Sie sich doch zum Teufel! Zu des Teufels Großmutter! Zu allen Teufeln zusammengenommen! Zum Satan!! Was bilden Sie sich überhaupt ein?! Sie gefallen mir absolut nicht!! Sie sind ein aufgeblasener Lackaffe!

 

 

Er: Und wieso verplempern wir dann unsere Zeit? Ich gefalle Ihnen nicht! Sie gefallen mir nicht! Dann lassen Sie uns auseinandergehen!

 

Sie: Warten Sie!! Sie gefallen mir nicht, aber Sie eignen sich eben. Ich kann das nicht aufschieben...

 

Er: Wofür eigne ich mich?

 

Sie: Sie haben so viele Vorzüge. Ihr Intellekt ist mehr als Durchschnitt.

 

Er: Danke. Das habe ich schon selber bemerkt.

 

Sie: Sie haben gute Manieren, sind feinfühlig und geduldig, lebenslustig, nicht aggressiv...

 

Er: Wie viele Vorzüge ein Mann haben muss, mit dem Sie gerade mal fünf Minuten verbringen wollen. Vermutlich sind Sie nicht verheiratet?

 

Sie: Nein, ich bin nicht verheiratet.

 

Er: Es würde mich nicht wundern, wenn Sie überhaupt noch nie verheiratet waren.

 

Sie: Nein, ich war noch nie verheiratet. Und ich will auch nicht heiraten. Früher wollte ich es, jetzt aber nicht mehr.

 

Er: Ich sollte jetzt aber wirklich gehen.  Ich habe eine Besprechung und komme nicht gern zu spät. Fügen Sie Ihrer Liste meiner Vorzüge noch Pünktlichkeit hinzu und lassen Sie mich gehen. Ja?

 

Sie: Vielleicht überlegen Sie es sich noch einmal? Bitte! Ich bitte Sie wirklich sehr! Sie haben doch keine Angst mehr vor mir! Ich war gestresst! Glauben Sie denn, es ist einfach, einen unbekannten Mann anzusprechen und ihn zu

 

 

fragen, ob er mit dir schlafen will? Das ist alles andere als einfach! Was habe ich mich mit Ihnen abgequält!

 

Er: Aber weinen Sie doch nicht!

 

Sie: Tränen sind meine allerletzte Waffe!

 

Er:  Strecken Sie die Waffen! Uns wird schon etwas einfallen!

 

Sie: Aber bitte schnell!

 

Er: Wenn Sie wollen, mache ich Sie mit jemandem bekannt? Aber dann müssen Sie sich anders benehmen.

Ich werde Sie beraten. Gratis!

 

Sie: Gott im Himmel, ich brauche aber niemanden anderen als Sie!!

 

Er: Könnte es sein, dass Sie mich schon seit langem lieben? Heimlich?

 

Sie: Was soll das? Sie werden von vielen Frauen geliebt!

 

Er: Das habe ich noch nicht bemerkt.

 

Sie: Wenn Sie es machen, dann werde ich ihn lieben. Ich werde ihn so zärtlich lieben... Begreifen Sie?

 

Er: Irgendwie... Und der Kopf tut Ihnen wirklich nicht weh?

 

Sie: Nein. Wieso?

 

Er: Sie sind doch stark aufgeschlagen...

 

Sie: Nur Sie kommen in Frage und nur heute, bis Mitternacht!

 

Er: Beruhigen Sie sich erst einmal.

 

Sie: Fällt es Ihnen denn wirklich so schwer?

 

Er: Das hängt davon ab...

 

Sie: Bin ich wirklich so unattraktiv?

 

Er: Nein, so unattraktiv sind Sie gar nicht... Und wenn Sie weinen, sind Sie sogar sehr charmant!

 

 

Sie: Aber ich kann doch nicht die ganze Zeit weinen?! Na gut, ich kann's ja mal versuchen! Wissen Sie, als ich dreizehn war, habe ich einen ganzen Monat lang geweint!  Und niemand konnte mich trösten! Ich bin damals fast gestorben.

 

Er: Beruhigen Sie sich! Das ist doch schon so lange her! Wie kommen Sie bloß auf mich?! Ich bin doch kein Supermann. Und ich werde Ihnen auch kein Supervergnügen bereiten können. Das kann ich jetzt schon sagen.

 

Sie: Ich denke sowieso voller Widerwillen daran.

 

Er: Das wird ja immer schöner! Schon lange hat mich niemand mehr derart schroff auflaufen lassen! Was wollen Sie eigentlich von mir?

 

Sie: Das gleiche, was alle Frauen wollen!

 

Er: Berufen Sie sich nicht auf alle!  So eine, wie Sie treffe ich zum ersten Mal im Leben! Konkret bitte - was wollen Sie von mir? Sagen Sie es geradeheraus und...

 

Sie: Und was?

 

Er: Es fällt mir schwer, zu einer charmanten Frau so beharrlich nein zu sagen. Noch nie im Leben hat mich jemand so rührend darum gebeten. Was wollen Sie also?

 

Sie: ...Ein Kind.

 

Er: ...Was?

 

Sie: Ich will ein Kind von Ihnen.

 

Er: ...Von mir? Was wollen Sie?

 

Sie: Einen Jungen! Und damit es ein Sohn wird, muss ich genau heute schwanger werden. Ich kann das berechnen.  Wenn es heute nicht klappt, dann wird es in den kommenden zwei Jahren eine Tochter werden. Ich träume aber so sehr von einem Sohn!

 

Er: Sie haben mich also als Samenspender vorgesehen! Was bin ich doch für ein Idiot! Beinahe wäre ich auf Sie hereingefallen!

 

Sie: Es wird natürlich nur mein Kind sein! 

 

 

Machen Sie sich keine Sorgen! Ich werde niemals irgendwelche Forderungen an Sie stellen!

 

Er: Danke! Das beruhigt mich ungemein!

 

Sie: Sie werden ihn gar nicht zu Gesicht bekommen!

 

Er: Hören Sie mal, für wen halten Sie mich

eigentlich? Weshalb nehmen Sie an, dass ich ein Unmensch bin? Dass ich auf meinen eigenen Sohn pfeifen würde!

 

Sie: Also gut, ich bin bereit, Ihnen entgegenzukommen.

 

Er: Sie sind also bereit dazu? Da habe ich ja Glück gehabt!

 

Sie: Darüber reden wir später.

 

Er: Ich würde das gern vorher besprechen. Was gibt es eigentlich zu besprechen?

 

Sie: In welcher Weise Sie sich an seiner Erziehung beteiligen wollen. Sie können ihn gern besuchen. Einmal im Jahr.

 

Er: Also, ich fasse zusammen: Sie haben entschieden, dass Sie mit mir schlafen müssen. Sie haben entschieden, von mir schwanger zu werden. Sie haben entschieden,  dass es ein Sohn werden soll. Und jetzt haben Sie entschieden, wie oft im Leben ich ihn sehen darf. In Ihrer Gegenwart fühle ich mich absolut nicht als Mann!

 

Sie: Also gut! Ich erlaube Ihnen, sich an seiner Erziehung zu beteiligen.

 

Er: Vielen Dank.

 

Sie: Ich glaube, Sie werden einen guten Einfluss auf ihn haben. Es ist sogar besser,  wenn der Junge weiß, dass er einen Vater hat. Dann wächst er ohne Komplexe auf.

Er: Die Komplexe werde ich haben! Sie entschuldigen, aber Ihre Offenheit ändert alles. Ich hätte vielleicht.    Aber ein Kind mit Ihnen zu haben, dazu sage ich kategorisch nein! Danke, dass Sie mich gewarnt haben!  Das Problem ist endgültig ad acta gelegt! Vergeuden Sie Ihre Zeit nicht weiter! Bis Mitternacht haben Sie ja noch Zeit... Das war's! Ich komme zu spät! Besser gesagt, ich bin schon zu spät!

 

 

Sie: Ich komme mit! Ich lasse nicht locker! Sie haben kein Recht!

 

Er: (plötzlich nimmt Er eine Pistole aus der Jacke)

Das ist kein Scherz, und ich will Ihnen auch keinen Schreck einjagen. Ich werde schießen! Kommen Sie nicht näher!

 

Sie: (ohne sich zu bewegen) Aber das ist doch dumm. Das ist doch dumm von Ihnen! Ein Sohn ist ja ein solches Glück! Jeder normale Mann wünscht sich einen Sohn!

 

Er: Ich bin verheiratet! Und wenn ich einen Sohn will...

einen, oder zwei, drei, oder zehn... dann wird meine

Frau mir welche schenken!

 

Sie: Ich habe Ihre Frau gesehen! Sie wird Ihnen niemals zehn Söhne schenken. Allerhöchstens bringt sie noch einen zur Welt! Und wenn es ein Mädchen wird?

 

Er: Im Gegensatz zu Ihnen habe ich nichts gegen Mädchen!

 

Sie: Aber Sie können doch nicht nur an heute denken!

Was ist, wenn Sie sich eines Tages von Ihrer Frau trennen?

 

Er: Ich bin nicht so ein Ehegegner wie Sie!

Dann heirate ich eben wieder!

 

Sie: Und wenn Sie keine Kinder mehr bekommen können?

Und die Tochter die Partei ihrer Mutter ergreift?

Und Sie allein zurückbleiben?

 

Er: Machen Sie sich mal keine Sorgen, das werde ich überleben.

 

Sie: (weinend) Ich aber werde meinen Sohn so erziehen,   dass er Sie immer lieben wird. Wer weiß, vielleicht werden Sie eines Tages,  wenn wir alt sind, vor mir niederknien, mir die Hände küssen und mir danken...

für den Sohn.

 

Er: (tut die Pistole weg) Entschuldigen Sie! Ich habe vorhin die Fassung verloren! Sie verblüffen mich wirklich. Aber ich habe auch ein Problem. Es ist zwar nicht so global wie Ihres, aber wichtig ist es trotzdem.  Schon seit zwanzig Minuten warten in meinem Büro Holländer auf mich. Ein sehr wichtiger Termin.

 

 

Es ist schon schlimm genug, dass ich mich nicht vorbereitet habe, aber nun komme ich auch noch zu spät. Meine Chancen waren ohnehin gering, jetzt aber gehen sie völlig gegen Null. Ich muss sie unbedingt dazu bringen,  mir eine Partie Kaffee zu verkaufen. Ich habe aber gegenwärtig kein Geld, um das Geschäft vorzufinanzieren.  Sie wollen kein Risiko eingehen, obwohl sie meinen Ruf kennen und auch meine Referenzen sind solide und einwandfrei... Ohne Vorfinanzierung ist aber praktisch nichts drin! Ich kann einen so vorteilhaften Vertrag nicht einfach sausen lassen. Aber ich habe zurzeit kein Geld. Wenn ich den Vertrag sausen lasse, werden die anderen Lieferanten Zweifel an meiner Liquidität bekommen. Und Zweifel an der Seriosität meiner Firma. Davon hängt so vieles ab. Ach, wenn ich doch Ihre Fähigkeiten hätte! Sie können wahrscheinlich sogar einem Toten einreden, was Sie wollen!

 

Sie: Einem Toten schon... Aber Ihnen nicht!

 

Er: Sie hatten einfach nicht genug Zeit.

 

Sie: Wollten Sie denn schon nachgeben?

 

Er: Irgendwie schon... Aber Sie haben sich vergaloppiert, als sie vom Kind angefangen haben...

 

Sie: Finden Sie mich denn schon attraktiv?

 

Er: Darum geht es nicht! Bei Ihnen fällt es einem leichter nachzugeben als nein zu sagen. Sie sind der geborene Manager!

 

Pause

 

Hören Sie mal, kann ich Sie nicht überreden, für mich zu arbeiten?

 

Sie: Und Ihre Frau wird nicht eifersüchtig werden?

 

Er: Auf Sie? Niemals! Verzeihen Sie! Lassen Sie es uns doch einfach versuchen. Kommen Sie mit in mein Büro!

 

Sie: Na endlich!

 

Er: Gehen Sie zuerst ins Badezimmer...

 

Sie: Ja?!

 

Er: Dort können Sie sich frisch machen!

 

Sie: Ja!

 

Er: Ich werde die ganze Zeit bei Ihnen bleiben...

 

Sie: Gut!

 

Er: Ich werde Ihnen in der Zwischenzeit alles über den Kaffee erzählen, über den Unterschied zwischen Vorfinanzierung und Verkauf...

 

Sie: Das ist nicht nötig!

 

Er: Und dann lasse ich Sie auf die Holländer los!

 

Sie: Weshalb?

 

Er: Die können Sie doch alle um den kleinen Finger wickeln! Die werden einfach in die Knie gehen!

 

Sie: Ich verstehe nicht...

 

Er: Machen Sie sich keine Sorgen! Ich werde dabei sein.  Ich werde schon aufpassen.

 

Sie: Nein.

 

Er: Schließlich komme ich ja Ihretwegen zu spät! Können Sie das denn nicht verstehen? Es ist sehr wichtig für mich. Nur ein einziges Mal! Nehmen Sie an der Verhandlung teil, ich bitte Sie!

 

Sie: An der Verhandlung? Das kann ich nicht! Ich habe das noch nie gemacht! Ich werde alles vermasseln!

 

Er: Ich bin bereit, das Risiko einzugehen, denn schlechter, fürchte ich, kann es schon nicht mehr werden.

 

Sie: Aber ich verstehe doch gar nichts davon.

 

Er: Es ist ganz einfach!

 

Sie: Ich weiß ja nicht, was ich sagen soll!

 

Er: Die Holländer verstehen doch kein Wort Russisch! Ich kann Ihnen alles soufflieren. Wenn es nicht auf Anhieb klappt, dann vereinbaren wir eben einen zweiten Termin.

 

 

Das würde ich zwar nicht so gern, aber was soll's? Und ich zahle auch dafür! Für eine halbe Stunde - zweihundert Dollar.

 

Sie: Nicht mitgerechnet die hundert, die Sie mir schon gegeben haben?

 

Er: Nicht mitgerechnet! Das ist eine moralische Wiedergutmachung. Wenn Sie sie aber gleich beim ersten Mal überzeugen, zahle ich vierhundert.

 

Sie: Sie nehmen wirklich an, dass ich das schaffe?

 

Er: Ein Debüt von Ihnen habe ich schon miterlebt. Und das war glänzend!

 

Sie: Finden Sie?

 

Er: Sie waren einmalig!

 

Sie: Gut... Und kann ich dann damit rechnen...

 

Er: ...dass Sie die vierhundert Dollar bekommen?

Die bekommen Sie!

 

Pause

 

...Ich hoffe sehr, dass wir Freunde werden!

Sind Sie einverstanden? Ich bitte Sie!

 

Sie: Bitten Sie mich sehr?

 

Er: Sehr!

 

Sie: Na dann, auf geht's!

 

Er: Auf geht's!

 

(Er und Sie gehen ins Büro)

 

 

 

 

 

 

 

Ende des ersten Teils

 

 

 

II

 

 

Arbeitszimmer des Chefs der Firma:

ein Schreibtisch mit Arbeitssessel,

ein Telefon und ein Monitor,

ein Kongresstisch mit vier Sesseln,

ein Klavier mit einem Hocker.

Der Boden ist mit einem großen Teppich

bedeckt.

Auf dem Kongresstisch sind: eine Flasche Kognak, 

zwei Weingläser, Schoko, Früchte etc. Laute Musik.

Er und Sie sehen wie Sieger nach einer gelungenen Verhandlung aus. Freude herrscht.

 

 

Er: Sie waren umwerfend! Ich konnte mich gar nicht satt sehen an Ihnen. Sa-gen-haft! Meine Güte! Die armen Holländer! Solch eine Frau haben Sie zum ersten Mal gesehen! So lebendig! So scharfsinnig! Und so taktvoll.  Und Ihr Einfühlungsvermögen, und diese Koketterie! 

Noch nie habe ich eine Frau getroffen, die es auch nur annähernd mit Ihnen aufnehmen könnte! Und wie Sie Englisch sprechen!  

 

Sie: Dafür lässt Ihr Englisch zu wünschen übrig!

 

Er: Sie werden mich schon auf Vordermann bringen.

Zehn Dollar die Stunde!

 

Sie: Für so schwerfällige Typen wie Sie zwanzig!

 

Er: Okay. Ich bin ganz außer mir vor Begeisterung!

Auch die Holländer waren außer sich! Sie haben Sie nach Holland eingeladen!

 

Sie: Sie sind ja auch eingeladen worden!

 

Er: Genau! Sie haben Sie eingeladen! Und mich auch.

 

Sie: Die Holländer sind ein höfliches Volk. Sie lassen eben Frauen den Vortritt.

 

Er: Und erst recht, wenn es die charmanteste Frau der Welt ist! Und eine so einfühlsame Psychologin! Und großartige Schauspielerin! Und diese Phantasie!

 

Pause

 

 

Das haben Sie sich prima ausgedacht! Den Holländern ein frisch verliebtes Paar vorzuspielen! Nur Verliebten verzeiht man es, wenn sie sich verspäten. Und überhaupt -

es geht uns ja gar nicht um die Partie Kaffee! Es geht uns auch nicht ums Geld! Das einzige, was wir wollen,  das ist, allein zu sein! Verliebte flößen Vertrauen ein. Menschen, die zu höheren Gefühlen fähig sind, können keine Betrüger sein! Verliebte möchte man beschützen.

Es gibt so wenig wahre Liebe auf der Welt, dass jedermann sie instinktiv behüten möchte.

 

Sie: Ohhh, Sie sind ja ein Dichter!..

 

Er:  Als Sie mir diesen Schachzug vorgeschlagen haben, kam er mir zuerst merkwürdig vor, das muss ich zugeben.

Wie benehmen sich Verliebte überhaupt? Ich habe schon

ganz vergessen, wann mir das passiert ist! Aber Sie haben ein geniales Manöver vorgeschlagen. Einfach nicht die Augen von Ihnen abzuwenden, keinen einzigen Moment und meine Mimik zu kontrollieren und keinen alltäglichen Gesichtsausdruck zuzulassen. Ich habe von Ihnen gelernt,  dass ich entweder lächeln sollte oder ernst und vielsagend schauen.

 

Sie: Und wie Sie gelächelt haben! Sie haben förmlich gestrahlt!

 

Er: Aus Nervosität! Ich hatte ja Angst, dass alles

herauskommt.

 

Sie: Und als Sie mich so durchdringend und traurig angesehen haben, woran haben Sie da gedacht?

 

Er: Ich habe dreistellige Ziffern im Kopf multipliziert. Mit diesen Taschenrechnern verlernt man ja völlig das Kopfrechnen! Loben Sie mich doch mal! Ich habe Sie so eifrig angesehen, dass ich Sie vermutlich nie mehr vergessen werde... (versucht Sie zu küssen)

 

Sie: (weicht vor Ihm aus und setzt sich ans Klavier)

Sie können aufhören. Wir sind jetzt allein. Es gibt keinen Grund mehr, mich so intensiv anzusehen.

 

Er: Sie sind einfach wunderbar! Ich möchte Sie aber ansehen. Darf ich?

 

Sie: Ganz wie Sie wollen.

 

Er: Ich will genau so. (legt sich bequem auf´s Klavier)     

 

Die Kapitalisten sind doch ein naives Volk.

Haben Sie bemerkt, wie gerührt, bewegt und fasziniert

sie von unserer Liebe waren? Sie sind eine großartige Regisseurin!

 

Sie: Mit einem so begabten Schauspieler wie Ihnen ist

es nicht schwer,   eine großartige Regisseurin zu sein.

 

Er: Haben Sie bemerkt - ich bin derart in meiner Rolle aufgegangen, dass ich sie immer noch nicht abstreifen kann. Sehen Sie doch nur, wie ich Sie jetzt anschaue!

 

Sie: Und was multiplizieren Sie gerade im Kopf?

 

Er: Oh, das sind sehr große Zahlen! Es ist sehr

angenehm, mit Ihnen zusammen zu sein und mit ihnen

zu plaudern.

 

Sie: Ist es wirklich wahr, dass Sie mir Komplimente machen?!

 

Er: Das sind keine Komplimente, das ist die Wahrheit.

 

(versucht Sie wieder zu küssen)

 

Sie: Verbindlichen Dank... (weicht Ihm aus)

 

Er: ...Ich danke Ihnen! Sie haben mir wirklich aus der Patsche geholfen! Im Grunde genommen haben Sie mich sogar gerettet! Und seien Sie mir nicht mehr böse! Ich habe mich benommen, wie der letzte Idiot.

 

Sie: Entschuldigen Sie! Ich habe Ihnen vermutlich Anlass dazu gegeben. Aber jetzt kommt das alles ein bisschen überraschend... Entschuldigen Sie...

 

Er: (fängt an Sie zu belästigen) Ich kann mich nicht beherrschen. Mein Gott, wie Ihre Haare duften! Wie zärtlich und siegessicher Sie mich angesehen haben,

als die Holländer da waren! Und ich Idiot habe mir eingebildet, dass in Ihrer Zärtlichkeit wenigstens eine Spur Aufrichtigkeit ist. Ich habe die ganze Zeit daran gedacht, wie Sie mich überreden wollten... Jetzt habe ich meine Meinung geändert.

 

Sie: (versucht ihn loswerden) Vergessen wir es! Sie waren nicht einverstanden und ich habe es akzeptiert. Der Zug ist abgefahren.

 

 

Er:  Ich will es aber nicht vergessen! Ich war ein Idiot! Sie haben eine so wunderschöne Brust, Sie hatten völlig recht...

 

Sie: Was ist denn los mit Ihnen?

 

Er: Mache ich etwas falsch?

 

Sie: Ja, alles ist falsch.

 

Er: Mir wird schwindlig in Ihrer Gegenwart.

 

Sie: Mir ist auch schwindlig... Aber ich glaube, das kommt vom Kognak. Und überhaupt - das kommt auch vom Tanzen.

 

Er: Kann ich Sie ausziehen? Das wird die schönste Erinnerung sein.

 

Sie: Ich habe keine Lust mehr.

 

Er: Das macht nichts.   Für Launen haben wir jetzt keine Zeit. Uns bleiben nur noch drei Stunden, um einen Sohn

zu zeugen. Sie haben mir geholfen, jetzt helfe ich Ihnen. Dienstleistung gegen Dienstleistung. Ich werde mir große Mühe geben.

 

Sie: (sich befreiend) Danke. Nein. Wir haben getrunken - für das Kind kann das Folgen haben.

 

Er: Aber so viel haben wir doch gar nicht getrunken!

Wenn Sie wüssten, wie viel ich getrunken habe, bevor... Aber meine Tochter ist kerngesund, das haben Sie ja selbst gesehen. Wenn ich damals nichts getrunken hätte, wäre sie jetzt vielleicht gar nicht auf der Welt! Sie empfinden doch keinen Widerwillen gegen mich, oder?

 

Sie: Ich bin müde. Das war ein so ungewöhnlicher Tag!

Sie haben mir die gesamten Verhandlungen aufgebürdet!

 

Er: Umso wichtiger ist es, dass Sie jetzt auf andere Gedanken kommen!

 

Sie: Machen Sie sich etwa über mich lustig?

 

Er: Du Verrückte! Ich will dich!

(versucht wieder Sie zu belästigen) Ich lasse dich nicht gehen! Mein Gott, wie deine Haare duften! Wie sehr ich dich begehre!.. Wie heißt du eigentlich?

 

Sie: (versucht freizubekommen) Marina... Andrejewna.

 

Er: Marischa, Marischenka...

 

Sie: Und wie heißen Sie?

 

Er: Alexej.

 

Sie: Und mit Vatersnamen?

 

Er: Nikolajewitsch.

 

Sie: Alexej Nikolajewitsch, lassen Sie das.

Ich bitte Sie. Ich liebe Sie nicht.

 

Er: Marina... Du kannst doch nicht die ganze Zeit

nur so getan haben als ob...

 

Sie: Natürlich!

 

Er: Du bist trotzdem die bezauberndste Frau der Welt!

 

Sie: (sich befreiend) Sie wiederholen sich...

Bitte fassen Sie mich nicht an, Alexej    Nikolajewitsch!(geht weg)

 

Er: ...Und wer hat zuerst angefangen, den anderen zu belästigen?! Irgendwie verstehe ich das nicht. Meiner Meinung nach ging die Initiative nicht von mir aus!

 

Sie: Machen Sie sich keine Sorgen, ich finde schon jemanden anderen.

 

Er: Was redest du denn da? Wen willst du denn finden?

Es ist ja schon spät!

 

Sie: Außer Ihnen gibt es doch noch andere junge, gesunde und hübsche Männer!

 

Er: Oh je...  ich bin wohl schon eifersüchtig...

Wie viele verloren geglaubte Empfindungen du in mir geweckt hast!.. Bitte, mach' das nicht wieder kaputt!  Wir werden es gleich gut miteinander haben!

 

Sie: Aber ich bin ja ganze fünf Jahre jünger als Sie.

 

Er: Ich bin nicht so anspruchsvoll wie du. Und welche Bedeutung soll das überhaupt haben, für eine Affäre,

 

die nur eine Nacht dauert?  (...)

 

Sie: Lassen Sie mich bitte los!

 

Er: Was ist denn? Was ist passiert? Was mache ich falsch? Habe ich etwas Falsches gesagt? Dich irgendwie beleidigt?

 

Sie: Ich muss nach Hause, das ist alles. Ich habe zu tun.

 

Er: Empfängst du in der Nacht etwa Patienten zu Hause?

 

Sie: Ja, manchmal - stellen Sie sich das vor! Unser Haus hat sechzehn Aufgänge und alle kommen zu mir!

Sogar mit Zahnschmerzen! Es reicht! Ich habe gesagt,

Sie sollen mich loslassen! Soll ich vielleicht um Hilfe rufen?

 

Er: Gehen Sie. (umarmt Sie)

 

Sie: Aber... Sie halten mich doch fest...

 

Er: Ich halte Sie nicht fest. Ich umarme Sie.

(Sie beisst ihn in die Hand) 

Sie sind vermutlich nicht in der Lage, den Unterschied

zu erkennen. Sie sind frei. Laufen Sie!

 

(Telefon klingelt)

 

Sie: (nimmt den Hörer ab)

Hallo! Sie haben sich verwählt. Hier ist der Friedhof...  Hier schlafen schon alle... Nein, den gibt's hier nicht.   (legt nervös den Hörer auf)

 

Er: Scherze sind das!

 

Sie: Oh je... Wirklich... Ich hätte Ihnen den Hörer geben sollen. Umso mehr, als es Ihre Frau war...

 

Er: Und weshalb haben Sie abgenommen?

 

Sie: Reine Reflexhandlung. Machen Sie sich keine Sorgen,   sie wird sicher gleich noch einmal anrufen.

 

(Telefon klingelt wieder)

 

Er: (nimmt den Hörer ab) Grüß dich! Ich bin allein.

Die Holländer haben mich aufgehalten. Alles in Ordnung.  Ja, sie sind einverstanden. Danke. Ich komme gleich...  Bin schon auf dem Weg. Ich dich auch.(legt den Hörer auf)

 

 

Pause

 

Sie: Wie müde ich bin.

 

Er: Ich bringe Sie nach Hause.

 

Sie: Danke. Ich gehe zu Fuß.

 

Er: Darf ich Sie trotzdem begleiten? Sind Sie fertig? Gehen wir!

 

Sie: ...Geben Sie mir eine Zigarette!

 

Er: Nein. Sie rauchen doch nicht.

 

Sie: Dann fange ich jetzt eben damit an.

 

Er: Davon rate ich Ihnen ab. Sie werden sonst abhängig.

 

Sie: Das sollte Ihnen doch egal sein, ob ich abhängig werde oder nicht! Wir werden uns doch sowieso niemals wiedersehen!

 

Er: Ich habe mich eben noch nicht damit abgefunden... Bitteschön. (gibt ihr eine Zigarette)

 

Pause

 

Einen Kaffee?..

 

Sie: (raucht) Danke. Machen Sie sich keine Umstände...  Halte ich Sie auf?

 

Er: Ein bisschen.

 

Pause

 

Er: Darf ich Ihnen etwas sagen?

 

Sie: Bitteschön.

 

Er: Sie gefallen mir wirklich sehr. Ich will mich nicht einfach so von Ihnen verabschieden und Sie nie wiedersehen. Und vergessen Sie nicht - wir sind beide nach Holland eingeladen. Was soll ich den Holländern sagen? Sie haben sich ja vor allem für Sie interessiert,  Marina Andrejewna... Was soll ich denen erzählen?

Die Geschichte unserer Trennung, vielleicht, dass Sie mich betrogen haben? Oder dass Sie gestorben sind?

 

Sie: Erzählen Sie Ihnen, was Sie wollen.

 

Er: Ich will Sie bitten, mit mir zusammenzuarbeiten.

Wie viel verdienen Sie als Ärztin?

 

Sie: Wenig.

 

Er: Für den Anfang biete ich Ihnen das Dreifache.

Aber das ist noch nicht die Obergrenze.

 

Sie: Armes Russland! Wenn alle anfangen würden,  Geschäfte zu machen, wer sollte dann unterrichten,  heilen, Kinder erziehen?

 

Er: Sie könnten ja bei uns eine Arztpraxis einrichten!  Das wäre gut für Sie. Und bequem für mich.

 

Sie: Wie viele Mitarbeiter haben Sie denn?

 

Er: Etwas weniger als zwanzig feste Mitarbeiter.

Und bis zu fünfzig Saisonkräfte.

 

Sie: Eine Ärztin auf fünfzig Leute in einer einzelnen Firma. Und für das übrige Russland ein Arzt auf zehntausend.

 

Er: Ich habe keine Ambitionen, für das Schicksal von ganz Russland verantwortlich zu sein. Bisher habe ich noch niemand gesehen, der damit fertig geworden wäre. Was mich persönlich betrifft - ich spende genügend für wohltätige Zwecke.

 

Sie: Genügend für Sie oder für die wohltätigen Zwecke.

 

Er: Darüber können wir später noch reden. Lassen Sie uns auf meinen Vorschlag zurückkommen.

 

Sie: Wie Sie wollen.

 

Er: Ich würde wirklich gern mit Ihnen zusammenarbeiten.  Sie sind eine wunderbare, kluge und gebildete Frau!

Sie haben Charakter. Sie sind ein guter Freund und verstehen schon die kleinste Andeutung. Sie sind geschäftstüchtig, wenn auch ein bisschen naiv.

Sie begreifen alles im Fluge. Und Sie haben eine eigene Meinung. Sie sind energisch und resolut. Mutig und entscheidungssicher. Im Grunde genommen sind Sie eine richtige Führungspersönlichkeit.

 

 

Sie: So viele Vorzüge! Ich erkenne mich ja gar nicht wieder in diesem Porträt! Haben Sie denn keine Angst,

ich könnte Ihnen Konkurrenz machen?

 

Er: Nein. Denn wir ergänzen einander ideal. Sie sind eine Abenteuerin und ich bin umsichtig. Sie erfassen das Wesentliche, und ich sehe die Details. Sie sind gebildet und voller Ideen, und ich habe die Erfahrung. Sie sind spontan und ich gehe logisch vor. Sie gefallen mir überhaupt immer besser...

 

Sie: Gut. Ich werde es mir überlegen.

 

Er: Überlegen Sie es sich.  Hier ist meine Visitenkarte.  Ich warte auf Ihre Entscheidung. Wohin soll ich Sie also jetzt bringen?

 

Sie: Ich sollte es mir doch überlegen. Also bleiben Sie sitzen und warten Sie. Ich überlege.

 

Pause

 

Er: Vielleicht doch einen Kaffee...

 

Sie: Immer dasselbe...

 

(Beide schweigen)

 

...Aber reden Sie ruhig weiter! Sagen Sie etwas! Ganz egal, was... Als Hintergrund...

 

Er: Ich kann nicht reden, wenn ich weiß, dass mir niemand zuhört.

 

Sie: Ich werde mich am Gespräch beteiligen, ich bin genauso wie Sie, ich kann das eine sagen und an etwas ganz anderes denken.

 

Er: Noch ein Vorzug! ...Weshalb waren Sie eigentlich nie verheiratet? Ich hoffe, Sie nehmen mir diese Frage nicht übel? Ich hätte nicht gefragt, wenn sie hässlich aussehen würden...

 

Sie: Ich wollte aus Liebe heiraten.

 

Er: Waren Sie denn unglücklich verliebt? So etwas soll bei Frauen vorkommen. Sie schlittern da irgendwie hinein. Und vergeuden ihre Zeit.

 

 

Sie: Meine Liebe ist zerbrochen...

 

Pause

 

Ich erzähle es Ihnen. Frauen reden ja so gern über die Liebe!..

 

Er: Vielleicht ein andermal?

 

Sie: Hören Sie mir zu, ich bitte Sie.

 

Er: Ja, natürlich...

 

Sie: Ich war dreizehn. Meine Eltern hatten für meine Großmutter und für mich ein Sommerhäuschen in Lachta

am Finnischen Meerbusen gemietet. Und dort bin ich ihm begegnet. Er war achtzehn. Er hat dort den letzten Sommer vor der Armeezeit verbracht. Mein Gott, wie hübsch er war! Nicht einfach hübsch, sondern wunderbar! Schwarzes Haar, braungebrannt, das blaue Hemd im gleichen Ton wie seine blauen Augen! Wie viel Sanftheit, Zuvorkommenheit und Aufmerksamkeit sich in seinem Gesicht spiegelte.

Es war eine Aufmerksamkeit, die sich auf Dinge richtete,   die andere nicht sahen. Vielleicht auf etwas, das in ihm selber war. Weder davor noch danach bin ich jemandem begegnet, der ihm ähnlich gewesen ist. Er war... ein richtiger Mann. Allein der Gedanke, dass es ihn gibt,  hat mich lange Zeit vor allem Bösen beschützt. Nicht

die geringste Spur von Aggressivität hatte er an sich. Wie höflich er war. Und wie zuvorkommend. Was für unglaublich gute Manieren er hatte. Und sein offenes,  naives Lachen. Und die schneeweißen, ebenmäßigen Zähne.  Ich habe mich sofort in ihn verliebt. Es war eine tiefe, starke, leidenschaftliche und schüchterne Liebe. Wie nur ein Mädchen lieben kann, dass viel liest und sich seinen Träumen hingibt. Es dauerte eine Woche, länger nicht. Wir haben einander nichts Besonderes sagen können. Die Liebe

ist plötzlich über uns gekommen. Wir haben uns verliebt. Zeit, uns aneinander zu gewöhnen aber, hatten wir nicht.

 

Pause

 

Er: Und weiter?

 

Sie: Bevor wir uns kennengelernt haben, hatte sich in unserer Sommerkolonie eine Clique von Jungen und Mädchen aus der Nachbarschaft gebildet, einige Pärchen.

 

 

Auch ich hatte mich ihnen irgendwie angeschlossen, aber ich habe mit niemandem angebändelt, es war niemand darunter, der mir gefallen hätte. Wir sind baden gegangen, Fahrrad gefahren, haben Karten gespielt... Eigentlich habe ich nicht viel Zeit mit ihnen verbracht. Hab wie verrückt gelesen, nachgedacht, war schwermütig... Ich habe meine Einsamkeit kultiviert. Trotzdem hat es diesen Jungs nicht gefallen, dass ein Fremder in meiner Nähe aufgetaucht war. Sie haben ihn angegiftet, ihn beleidigt. Er aber hatte keine Angst vor ihnen, er hat sie gar nicht wahrgenommen. Das hat sie wahrscheinlich

am meisten aufgebracht.

 

Pause

 

Er: Erzählen Sie, erzählen Sie weiter, ich höre zu...

 

Sie: Eines Morgens bin ich mit dem Gefühl aufgewacht, dass ein Unglück geschehen ist. Ich bin aufgestanden und ums Haus gestrichen, um dieses Unglück zu suchen.

Die Sonne brannte. Die Käfer brummten. Die Dahlien blühten. Alles atmete Frieden und Ruhe. Langsam habe ich mich beruhigt und bin zum Brunnen gegangen, um

Wasser zu holen. Und dort habe ich gehört, was sich die Nachbarinnen erzählt haben. Sie sagten, in der Nacht sei ein Junge zum Krüppel geschlagen worden, dieser nette,  der mit seiner Mutter und den Schwestern im Haus direkt am Meer wohnt. Mein Unglück hatte also selber den Weg zu mir gefunden! Ich warf den Eimer fort und ging in den Hof gegenüber. Wie sehr die Sonne brannte! Wie im Alten Judäa. Mitten im Hof hatte meine Clique Flaschen aufgestellt, und sie schössen darauf mit einer Doppelflinte. Auf dem Tisch lag noch eine zweite Flinte.   Ich nahm sie und zielte auf einen, den wir Kiefer nannten. Neben seinem Haus standen Kiefern, daher sein Spitzname. Ich habe lange und sorgfältig gezielt. Habe Angst gehabt, danebenzutreffen. Es wurde ganz still! 

Man konnte hören, wie im Stall die Milch in den Eimer spritzte. Das war Kiefers Mutter, die gerade die Kuh molk. Dann habe ich geschossen. Und einen starken Schlag gegen die Schulter gespürt. Kiefer fiel um wie niedergemäht. Dann habe ich auf einen anderen gezielt,  der hieß Wasjka. Ich habe mich noch gewundert, weshalb er so weiß war. Kurz davor war er doch noch ganz braungebrannt gewesen! Dann hat seine Freundin laut zu kreischen angefangen. Sie hat geschrien wie am Spieß und sich vor ihn geworfen, um ihn zu schützen.

 

Er hat sie nicht einmal weggestoßen, sondern sich sogar hinter ihrem Rücken versteckt. Das hat mich irritiert.

Ich wollte nicht auf sie schießen. Und plötzlich ist schreiend Kiefers Mutter aufgetaucht: „Er ist tot, er

ist tot, mein Sohn ist tot", hat sie geschrien. Ich habe das Gewehr weggeworfen... Wie ich zu seinem Haus am Meer gekommen bin, weiß ich nicht mehr. Dort haben seine Mutter und seine Schwester gerade die Sachen zusammengepackt. Oh, mit welchen hasserfüllten Blicken sie mich angesehen haben!

...Ich weiß nicht mehr, wie und wann ich nach Hause gekommen bin. Dort hat schon die Polizei auf mich gewartet... Ich hatte Kiefer nicht umgebracht... Nur an der Schulter leicht verletzt... Sollten sie mich ins Jugendgefängnis stecken - dann hätte es auch die Jungs erwischt! Meine Eltern hätten schon dafür gesorgt! Kiefers Mutter hat hin und her überlegt und schließlich hat sie die Anzeige zurückgezogen... Mich haben sie nach Hause in die Stadt gebracht... Ich bin dann krank geworden und erst wieder aus dem Haus gegangen, als die Blätter schon gelb wurden...

 

Er: Tja...

 

Sie: Und jetzt halten Sie sich fest! Sie... Sie sehen diesem Jungen unglaublich ähnlich. Ich habe ihn noch lange geliebt, aber nie mehr wiedergesehen.

 

Er: Wie sehr ich Sie beneide! Ich habe nie solch eine Liebe erlebt. Ich bin mir sowieso nicht sicher, ob es überhaupt so etwas wie Liebe gibt...

 

Sie: Ich habe Sie ausgewählt, weil ich wollte, dass mein Sohn ihm ähnlich sieht... Ihnen ähnlich sieht.

 

 

Er: Aber so etwas gibt es nicht...

(schaut auf die Uhren) Es ist schon zehn...

 

(Telefon klingelt. Er nimmt den Hörer nicht ab)

 

Sie: ...Ich danke Ihnen.

 

Er:  Wofür?

 

Sie: Mir ist heute klargeworden, dass man nicht sein ganzes Leben der Vergangenheit unterordnen darf.

 

 

Als ich heute Nachmittag versucht habe, Sie zu überreden, hatte ich panische Angst, dass ich versagen könnte. Dann wäre ich im Boden versunken vor Scham.

Als wenn es nichts Schlimmeres gäbe als eine Niederlage!

 

Er: Jetzt haben wir schon gemeinsame Erinnerungen. Sowohl Niederlagen als auch Siege.

 

Sie: Heute bin ich erwachsen geworden. Und ich begreife die Person nicht mehr, die ich heute morgen war.

Wie konnte ich darauf hoffen, einen geliebten Sohn von einem Mann zur Welt zu bringen, den ich nicht liebe?

 

Er: Gefalle ich Ihnen denn überhaupt nicht?

 

Sie: Nein, Sie gefallen mir nicht.

 

Er: Das ist schade.

 

Sie: Da kann man nichts machen.

 

Er: Und darf ich erfahren, wieso nicht?

Vorhin haben Sie so viele Vorzüge an mir entdeckt.

 

Sie: Ich hatte mich geirrt.

 

Er: Schade! Ich hatte mich schon daran gewöhnt, dass ich Ihnen etwas bedeute.

 

Sie: Jetzt, wo Sie mich brauchen, lächeln Sie so nett und schauen mich so freundlich an. Man könnte ja annehmen, ich gefalle Ihnen wirklich.

 

Er: Sie gefallen mir ja auch wirklich. Sie haben nur einfach kein Selbstvertrauen. Sie sollten nicht an Ihrer Attraktivität zweifeln.

 

Sie: Das klingt ehrlich, offen und aufrichtig.

 

Er: Ich sage immer, was ich denke.

 

Sie: Aber Sie strengen sich nicht mehr so an wie bei den Holländern.

 

Er: Nicht alle Stunden sind gleich.

 

Sie: Und weshalb fanden Sie mich vorhin auf der Straße nicht attraktiv?

 

 

Er: Da wusste ich noch nichts von Ihnen.

 

Sie: Sie wussten noch nicht, dass ich Ihnen nützlich sein könnte? Sie knipsen Charme und Herzlichkeit einfach ein, wenn Sie etwas haben wollen.

 

Er: ...Es ist schon elf. Meine Frau wird sich Sorgen machen. Man muss die Gefühle der anderen respektieren.  Wohin soll ich Sie bringen?

 

Sie: Habe ich meine Sache gut gemacht?

 

Er: Ja, ausgezeichnet. Danke.

 

Sie: Und wo sind die vierhundert Dollar? Sie haben Sie mir versprochen, falls...

 

Er: Entschuldigen Sie, das hatte ich glatt vergessen. Hier, bitte.

 

Sie: Sie haben mich in einen unangenehme Lage gebracht.  Haben mich gezwungen, von Geld zu reden. Das gehört sich nicht für einen Mann.

 

Er: Verzeihen Sie. Sie haben Recht.

 

Sie: Nehmen Sie einen Hunderter heraus. Ich gebe ihn Ihnen wieder.

 

Er: Betrachten Sie ihn als persönliches Geschenk von mir.

 

Sie: Ich nehme nichts von Fremden.

 

Er: Auch gut.

 

Sie: Haben Sie immer tausend oder zweitausend Dollar bei sich?

 

Er: Wollen Sie mich ausrauben?

 

Sie: Für zufällige Ausgaben haben Sie so viel Geld bei sich, wie ein normaler Mensch für ein Jahr zum Leben braucht.

 

Er:  Ich habe so viel Geld, wie ich mir erarbeitet habe.

 

Sie: Sie arbeiten nicht, Sie machen Geschäfte.

 

Er:  Sie haben völlig recht. Sie arbeiten ja auch nicht,  

 

 

sondern tun nur so, als ob Sie die Menschen heilen, wie das in den Krankenhäusern üblich ist.

 

Sie: Ich habe es mir überlegt. Ich werde nicht für Sie arbeiten.

 

Er: Ich wollte Sie nicht kränken. Ich verstehe

überhaupt nicht, was los ist. Wieso muss alles so enden? Wie können wir das ändern? Rufen Sie mich an! Bitte!  Lassen Sie von sich hören! Und nehmen Sie das Geld! 

Sie haben es sich ehrlich verdient.

 

Sie: Ich nehme das Geld nicht...

(wirft das Geld auf den Boden) 

Heben Sie es auf, sonst geht es verloren.

 

Er: Hier nimmt niemand etwas weg. Ich zahle gut und jeder schätzt seinen Arbeitsplatz. Wir können gehen.

 

Sie: Sie haben mir doch einen Kaffee angeboten!

 

Er: Ein anderes Mal!

 

Sie: Ein anderes Mal wird es nicht geben! Wir werden uns verabschieden und dann gehe ich für immer.

 

Er: Wohnen Sie hier in der Nähe?

 

Sie: Ja, nicht weit von hier.

 

Er: Dann trinken Sie den Kaffee zu Hause.

 

Sie: Ich habe zu Hause keinen Kaffee. Den kann ich mir nicht leisten.

 

Er: Sind Sie mit „Tschibo" einverstanden? Den schenke ich Ihnen. Zum Andenken.

 

Sie: Ich habe doch schon gesagt, dass ich keine Geschenke von irgendwelchen Dahergelaufenen annehme.

 

Er: Sie entschuldigen, aber zum Kaffeekochen haben wir keine Zeit mehr. Ich bin in Eile. Meine Frau wartet auf mich. Sie wird sich schon Sorgen machen und nicht schlafen. Sie können das sicher nicht verstehen.

Sie sind ein freier Mensch.

 

Sie: Küssen Sie mich zum Abschied... Bitte...

 

 

 

Er: (küsst Sie) Passen Sie auf sich auf!

Sie werden mir fehlen! Kommen Sie doch einmal vorbei.

 

Sie: Nach Dienstschluss? Soll ich dort stehen und

warten, bis Sie pfeifen? Und rätseln, ob Sie mich gerade brauchen oder nicht?

 

Er: Was wollen Sie eigentlich von mir? Ich verstehe Sie nicht. Ich komme einfach nicht drauf, so sehr ich mich auch anstrenge.

 

Sie: Wenn ich das nur selber wüsste...

 

Er: Wie soll ich Sie denn verstehen, wenn Sie sich nicht einmal selber verstehen? Sie haben eine Sinnestäuschung!  

 

Sie: Eine Sinnestäuschung?!. Ja! Das stimmt. Es ist eine Sinnestäuschung!..

 

(......................................................)

 

Sie: Ich habe Angst. Ich bin wieder dreizehn.

Und wieder scheint es mir, als sei ich im Epizentrum

der Katastrophe... Ich wusste ja schon immer, dass Einsamkeit nicht bedeutet, dass man allein ist.

Sondern, dass der EINE nicht da ist. Ich hätte Sie nicht ansprechen sollen. Einen Monat lang habe ich Sie beobachtet. Habe geträumt, phantasiert, mich für Sie begeistert, war empört, eifersüchtig, habe Sie gehasst,  habe gelitten... Ich habe gelebt! Kein einziger öder Tag! Jeder Tag war von Ihnen erfüllt! Weshalb sollte ich mir und Ihnen etwas vormachen? Ich liebe Sie so sehr,   ich liebe Sie leidenschaftlich und aus tiefstem Herzen.  Ich liebe Sie! Was soll ich jetzt mit dieser Liebe anfangen? Sagen Sie es mir: WAS SOLL ICH TUN?..

 

Er:  Mein liebes, schutzloses dreizehnjähriges Mädchen!  Meine Liebe, meine Gute! Wo kommst du bloß her? Wie bist du nur in mein Leben geraten? Was für ein unerwartetes Geschenk du für mich bist. Du duftest nach Flieder. 

Und weshalb?..  Weil ich dich liebe. Ich möchte, dass du glücklich wirst. Ich möchte mit dir weit, weit wegfahren, dann kaufen wir dir ein Kleid, wie für eine Prinzessin und gläserne Schuhe. Wenn du wüsstest, wie bezaubernd du bist! Ich liebe dich sehr!

 

Sie: Aljoschenka...

 

 

 

Er: Ich bin dem Schicksal so dankbar für dich! Ich bin deiner nicht würdig. Etwas Besseres als dich habe ich noch nie besessen! Noch nie! Ich bin sechsunddreißig! Aber wirklich gelebt habe ich bisher nicht. Ich habe von Null angefangen. War ein Junge aus der Provinz. Außer Pflichtgefühl habe ich keine besonderen Fähigkeiten besessen. Mein Vater hat getrunken und Mutter geschlagen, Mutter hat geweint und ohne Pause gearbeitet, um uns drei Kinder großzuziehen. Dann bin ich nach Moskau gegangen. Habe studiert und gearbeitet und fast mein gesamtes Gehalt meiner Mutter geschickt, für meine Schwestern. Dann habe ich irgendwie spontan geheiratet, aus einer Laune heraus, und wie mir jetzt scheint, ohne Liebe. Ja, ich verdiene viel, das stimmt, aber ich habe weder Zeit noch Lust, das Geld auch auszugeben. Noch nie im Leben habe ich Urlaub gemacht. Ich kann es einfach nicht glauben, was zwischen uns passiert. Ich kann es nicht...

 

Sie: Aljoschenka...

 

Er:  Du weinst... Was für süße Tränen...  Mein kleines Mädchen, wir werden zusammen nach Holland reisen.

Ist dein Pass in Ordnung?

 

Sie: Ich habe keinen, und ich hatte auch noch nie einen Pass. Ich war in Riga, in Sotschi und auch in den Puschkinbergen. Ich kenne Moskau und Petersburg.

Meine Mutter war lange krank, ich konnte sie nicht allein lassen. Ich möchte mit dir zusammen die Welt ansehen. Was soll ich mit der Welt, ohne dich?

 

Er:  Ich werde dir die ganze Welt zeigen. Wir werden viel reisen. Und dann bringst du ein Mädchen zur Welt.  Vielleicht bist du doch mit einem Mädchen einverstanden,  wenn wir das mit dem Jungen nicht mehr schaffen?

 

Sie: Meinetwegen, ein Mädchen! Auch Mädchen haben es manchmal gar nicht so schlecht.

 

Er:  Genau! Und ich werde dich immer unterstützen!

Und wenn das Mädchen dann groß ist, machst du uns miteinander bekannt. Ich möchte, dass du unser Mädchen zur Welt bringst und sie Marina nennst. Wenn du eine Tochter von mir hast, wird dir unsere Trennung doch nicht so sehr wehtun, stimmt's?

 

Sie: ...Ja...

 

 

 

Er: Es wird dir doch nicht so sehr wehtun? Ich habe Angst um dich. Du bist so zart. Wird es dir dann nicht so sehr wehtun?

 

Sie: ...Nein...

 

Er: Natürlich wird es dir wehtun, genauso wie mir.

Aber irgendwann wird der Schmerz vergehen, ja?

 

Sie: ...Ja...

 

Er: Ich liebe dich.

 

Sie: ...Ja...

 

Er: Liebst du mich?

 

Sie: Ja! ...Ja, ja, ja!.. Du musst jetzt nach Hause gehen. Deine Frau wartet, sie macht sich Sorgen.

 

Er:  Meine Frau schläft schon. Sie geht immer früh ins Bett. Unsere Tochter ist ziemlich anstrengend.

Die Kleine hat wirklich ihre Launen, und meine Frau ist so nervös... Meine Frau ist so nervös... Man kann es ihr nie recht machen. Nichts, was ich tue, gefällt ihr. Alles, was ich sage, regt sie auf. Ständig macht sie mir Szenen, dass ich zu lange im Büro bleibe. Sie ist hysterisch, weil sie meint, ich habe zu wenig Zeit für sie... Wenn ich eine Frau wie dich hätte, wie glücklich wäre ich. Du bist nicht kleinlich oder banal. Du bist ein Geschenk. Du hast eine Seele... Nein, sie ist eine gute Hausfrau, eine gute Ehefrau, eine gute Mutter.

Ich bin zufrieden. Es ist sauber bei uns. Unsere Tochter ist beschäftigt. Natürlich, es ist schwer für meine Frau, mit dem Kind zu Hause zu sitzen. Ich könnte mit der Familie an den Wochenenden irgendwohin fahren... Die ganze Woche über sehne ich mich nach meiner Tochter und sie sehnt sich nach mir. Aber ausgerechnet an den Wochenenden will meine Frau shoppen gehen. Irgendeine Bluse kaufen oder den hundertsten Badeanzug. Dann fahren wir durch halb Moskau und vergeuden sinnlos das Geld...  Meine Frau ist gereizt, das Kind nörgelt... Ich aber kann sowieso keinen Unterschied feststellen, meine Frau sieht in allen Blusen gleich aus...

 

Pause

 

 

 

Ich fürchte, ich muss wirklich gleich los. Fahren wir zusammen nach Holland?

 

Sie: Ja.

 

Er: Das glaube ich nicht. Gibt es dort ein Meer?

Ich war noch nie in Holland.

 

Sie: ...Ja, es gibt dort ein Meer...

 

Er: Wie heißt es denn?

 

Sie: ...Das holländische Meer...  Dort ist alles holländisch...  Holländische Tulpen, holländischer Käse  und Nichtholländer haben dort nichts zu suchen!

 

Er: Dann benehmen wir uns eben wie Holländer. 

Wir essen jeden Tag Käse. Ich werde dir Tulpen schenken. Und dich behüten wie den teuersten Schatz. Fühlst du dich mit mir wohl?

 

Sie: Ja...

 

Er: Alles wird gut. Glaubst du mir?

 

Sie: Ich glaube dir, Aljoschenka...

 

Er: Wir müssen los.

 

Sie: Ja.

 

Er: Nimm das Geld!

 

Sie: Nein.

 

Er: Ruf mich an! Weißt du, wann? In einer Woche...

Oder lieber in zehn Tagen. Jetzt habe ich viel zu tun.  Dann wird auch die Einladung schon da sein. Ich werde mich selber um deinen Pass kümmern. Ich habe gute Beziehungen zu den Mädchen vom Auswärtigen Amt.

 

Sie: Danke.

 

Er: Bitteschön!  

 

Sie: Wir müssen los.

 

Er: Irgendwie gefällst du mir nicht mehr. Deine Augen

 

 

sind ja feucht. Pass auf dich auf. Überarbeite dich nicht.

 

Sie: Ich habe jetzt Urlaub.

 

Er: Urlaub?! Ich beneide dich! Lies etwas, erhole dich,  unternimm irgendwas und denk an mich. Und ruf mich an!  Okay?

 

Sie: Okay.

 

Er: Also gu-u-u-t...  Haben wir alles?.. Nimm den Kaffee mit!  

 

Sie: Danke. (nimmt den Kaffee nicht)

 

Er: Das ist guter Kaffee! Ich trinke nur diesen...

 

Sie: Ich werde ab heute auch nur noch diesen trinken!

 

Er: Also, verabschieden wir uns!

 

Sie: Verabschieden wir uns!

 

Er: Und sag mir zum Abschied, dass du mich liebst...

Bei dir klingt das irgendwie echt.

 

Sie: ...Ich liebe dich?.. Ich liebe dich...

Ich liebe dich... Ich liebe dich... Ich liebe dich...

Ich liebe dich... Ich liebe dich... ich liebe dich...   Ich liebe dich... Ich liebe dich...

 

Er: Was ist los mit dir? Geht es dir nicht gut?

 

Sie: Ich liebe dich... Ich liebe dich... Ich liebe dich! 

 

Er: Sag noch etwas! Sag noch etwas anderes!

 

Sie: Weiter weiß ich nichts... Nur, dass ich dich liebe.    Ich liebe dich...

 

Er: Sag noch etwas!

 

Sie: Was denn? Was?

 

Er: Ich weiß nicht.

 

Sie: Weiter weiß ich nichts. Ich liebe dich... Ich liebe dich...

 

 

Er: Also gut! Auf geht's!! Ach, zum Teufel! Bleib hier sitzen. Und warte auf mich. Ich bin gleich wieder da.  Bleib sitzen! Und warte auf mich!

(läuft schnell aus dem Büro)

 

(Sie setzt sich an den Tisch und schreibt einen Brief und dann geht Sie weg)

 

(Er kommt mit einem schönen Strauß und einer Flasche Sekt)

 

Er:  Hoffentlich bist du nicht eingeschlafen! Siehst du,  wie schnell ich zurück bin! Ich habe lange gesucht,   keine Rose war mir gut genug für dich...

(findet Sie nicht)

 

Marina!.. Marina!..

 

(findet auf dem Tisch einen Brief und beginnt zu lesen)

 

(Der Text des Briefes)

 

...Ich liebe Sie. Wir werden uns nie wiedersehen.

Ich werde weder einen Sohn noch eine Tochter von Ihnen zur Welt bringen. Auch nach Holland werde ich nicht mit Ihnen reisen, denn dieses Land - Holland – gibt es gar nicht. Sie werden mir auch nicht jeden Tag Tulpen schenken, denn es gibt gar keine Tulpen. Und ich werde auch nicht mit Ihnen zusammenarbeiten. Auch die Welt werden Sie mir nicht zeigen. Nicht mal ein kleines Stück von der Welt, nicht das klitzekleinste Stückchen.  Und nie mehr werden Sie zu mir sagen: „Marina, ich liebe dich!" Sie werden mir auch kein Kleid und keine gläsernen Schuhe kaufen. Und sich auch nicht um meinen Pass kümmern. Und ich werde Ihnen nicht meine erwachsene Tochter vorstellen. Denn ich werde keine Tochter mehr bekommen. Nichts, nichts, gar nichts werde ich mehr bekommen! Ich weiß nicht, was Sie den anderen Frauen sagen. Auch wenn es das gleiche ist, was Sie zu mir gesagt haben - ich danke Ihnen trotzdem! Nicht immer ist der im Recht, der liebt und leidet. Und nicht immer ist der schuld, der nicht liebt. Ich liebe Sie und ich fürchte, dass ich es bis zum Ende meines Lebens nicht mehr schaffen werde, diese Liebe zu überwinden. Ich habe Angst. Vielleicht sterben wir ja nicht völlig.  Vielleicht werde ich Sie dort, an jenem unsichtbaren Ufer, genauso vergeblich lieben. Sie sind nicht schuld, 

 

 

dass es Sie nicht berührt hat. Auch Liebe kann man nicht erzwingen! Sie ist von Gott gesandt. In einer Woche werden Sie das alles mit anderen Augen sehen. Ich aber werde Sie in einer Woche noch genauso lieben. Und deshalb verlasse ich Sie für immer, so lange ich noch die Kraft dazu habe... Für immer.

 

(Telefon klingelt)

 

Er: (nimmt den Hörer ab) Bist du das?!!

...Ich habe einen Anruf erwartet, deshalb habe ich gleich abgenommen. Warum schläfst du denn nicht?.. Nein,

es ist nichts passiert. Was hätte denn passieren sollen? Der übliche Arbeitskram. Ich bin aufgehalten worden... Nein, du weißt nicht, weshalb ich aufgehalten wurde!.. Denk doch, was du willst... Ja, ich bin allein... Lena, ich bin müde. Lena, ich habe wirklich keine Lust, mich zu rechtfertigen. Es sind eben Probleme aufgetaucht, deshalb bin ich aufgehalten worden... Ja, ich weiß, dass ich eine Familie habe. Morgen fahren wir zusammen die Dinosaurier angucken... Was für einen Pelzmantel denn, Lena? Jetzt haben wir doch Sommer! ...Aber weshalb brauchst du unbedingt einen Pelzmantel im Juni?.. Gut, gut, wir kaufen ihn. Und das Kind wird sich wie üblich mit uns durch die Geschäfte quälen... Lena, das ist doch pathologisch! Was für Frauen sollten denn nachts in meinem Büro sein? Übrigens, ich habe dir eine CD gekauft... Nein, ich habe sie mir noch nicht angehört... Ich dich auch... Ja... Mit meiner Stimme ist alles in Ordnung. Alles in Ordnung. Das war's. Ich fahre jetzt los. Bis gleich...

 

 

E n d e